HIERZULANDE - Pictures from the Palatinate at the open storage of Döbele Kunst Mannheim, Richard-Wagner-Str. 56

27.04. - 03.06.2023

HIERZULANDE - Pictures of the Palatinate from the last century
From a private collection


„Kinder jauchzen in den Weinbergen am Fuße des Limburghügels. Ich reiße einen Rebenpfahl aus, der mich beim Steigen unterstützen soll. Nachtfahrt durch die Berge nach Kaiserslautern. Im Dunkel des Gestrüpps bemerke ich auf den Hügeln häßliche phantastische Ruinen, alte zerfallene und vom Efeu verunstaltete Burgen, die nach den Sagen von Geistern bewohnt sind.“
So hat der große französische Romancier Victor Hugo 1839 in seinen Briefen an einen Freund seine Eindrücke der Pfälzer Landschaften romantisch beseelt beschrieben. Heute sind die alten Burgen restauriert und fügen sich als Anziehungspunkte in das touristische Landschaftsbild: Vom Altrhein mit seinen urtümlichen Auen über die fruchtbare Agrarlandschaft der Vorderpfalz erreicht man die klimatisch begünstigte Weinstraße und den imposanten Haardtrand mit seinen unzähligen Burgen. Hier beginnt der Naturpark Pfälzerwald mit seinen bizarren Felslandschaften, die sich bis in den Pfälzischen Westrich ziehen. Viele faszinierende Facetten bieten die Landschaften der Pfalz, und überaus facettenreich haben sie auch die Künstler ins Bild gesetzt: ihre Gemälde spiegeln die Sinnenfreuden dieser bezaubernden und unverwechselbaren Region. Zwei Drittel der Exponate in der Schau Hierzulande - Kunst aus der Pfalz sind Landschaftsbilder, die eine wunderbar vielseitige und kompetente Sicht des Privatsammlers und Leihgebers auf seine Heimat zeigen.

Als Altmeister der pfälzischen Landschaftsmalerei um 1900 gilt August Croissant, Senior der mit Landau verbundenen pfälzischen Künstlerfamilie Croissant, zu der neben seinem Sohn Eugen auch Augusts Bruder Hermann zählt. Die Familienmitglieder haben sich in unterschiedlichen stilistischen Ausprägungen der Malerei zugewandt, wobei jeder auf seine Weise einen wesentlichen Beitrag zum Landschaftsbild der Pfalz geleistet hat. So gilt August Croissant zuallererst als hervorragender Landschaftsmaler, wie seine beiden hier gezeigten Ansichten des Hambacher Schlosses und der Burg Berwartstein exemplarisch aufzeigen. Einen Höhepunkt im Motivkreis der Pfälzer Landschaften markiert die impressionistische Landschaftsmalerei Max Slevogts in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Slevogt wird zum herausragenden Schilderer der Südpfalz und insbesondere der Umgebung seines Hofguts Neukastel oberhalb von Leinsweiler. Wie die Ausstellung Hierzulande eindrucksvoll dokumentiert, ist eine ganze Reihe von Pfälzer Künstlern durch das Schaffen des großen Impressionisten künstlerisch beeinflusst - so beispielsweise Josef Bohn, Gustav Ernst, Hanns Fay oder Ludwig Schreieck.

Der gebürtige Sachse Gustav Ernst war gelernter Dekorationsmaler, der zunächst in Mannheim ein eigenes Malergeschäft führte. 1902 gab Ernst den Betrieb auf und zog, nun finanziell unabhängig, nach Bad Dürkheim, um sich voll und ganz der Malerei zu widmen. Er selbst schrieb: „Die ersten Winzerbilder entstanden und es war wie eine Entdeckung. Ich spürte, dass das meine besondere Stärke war und ich malte und zeichnete sie, die vollbärtigen, sonnverbrannten Weinbauernköpfe, von Runzeln zerfurcht wie die Wingertzeilen selber. So hieß ich auf einmal der Winzermaler.“ In der Tat ist der künstlerische Autodidakt bekannt als Spezialist für charaktervolle Winzerportraits und stimmige Genreszenen aus Pfälzer Weinkellern wie die hier vorgestellte Weinprobe. Daneben war Gustav Ernst allerdings auch ein begabter Landschaftsmaler, der einen unprätentiösen Beitrag zum Landschaftsbild der Vorderpfalz geleistet hat.

Französischer und deutscher Impressionismus standen Pate bei der Stilfindung im Schaffen des Kaiserslauterer Künstlers Heinrich Herzog. Kein Wunder, dass der Künstler in einer selbst verfassten Lebensbeschreibung von 1927 als Schlusssatz schreiben konnte: „Cézanne und Corinth aber bleiben die starken Mahner für die Zukunft.“ Unter diesen Vorzeichen ist auch die eng gefasste Ansicht des Eistals im Pfälzer Wald zu sehen, deren flüssig vorgetragene peinture von hoher Malkultur zeugt.

Der gebürtige Stuttgarter Albert Haueisen, der in seinem Schaffen zu einer ganz eigenen Synthese impressionistischer und expressionistischer Tendenzen kommt, findet seine Motive in der Rheinebene und am Altrhein. In seinen Arbeiten zeigt er, von niederländischen Vorbildern inspiriert, die Felder der Rheinebene mit der bäuerlichen Bevölkerung im jahreszeitlichen Rhythmus von Aussaat und Ernte. Besonders die drei Blätter mit herrlich frisch skizzierten Impressionen seines Hundes Schnauzel sind Beleg für die herausragende zeichnerische Begabung Haueisens. Der spezialisierte Tiermaler Otto Dill ist sicherlich einer der populärsten Pfälzer Künstler, stilistisch einem elegant vorgetragenen Spätimpressionismus verpflichtet. Seine bekanntesten Motive sind Löwen und Pferde, die er gerne auch bei Pferderennen im nahen Iffezheim studierte. Das wunderbar leicht inszenierte Blatt mit den Ziegen zeigt die ganze Klasse seiner Aquarellmalerei. Wie Dill war auch Max Bergmann Schüler Heinrich von Zügels an der Münchner Akademie. Beide waren mit der Malklasse Zügels im Sommer in dem kleinen südpfälzischen Ort Wörth am Rhein, um nach Tiermodellen im Freien zu malen. Nach der Emeritierung Zügels 1922 führte Bergmann die Wörther Sommermalschule weiter und knüpfte durch seine Aufenthalte in Wörth über die Jahre enge Beziehungen zur Pfalz und der pfälzischen Kunstszene. Seine Arbeiten wie die hier gezeigten Zwei Bunte auf der Weide stehen für äußerst qualitätvolle impressionistische Tiermalerei.
Auch der Deutsch-Franzose Philippe Steinmetz vertritt stilistisch einen moderat expressiv aufgefassten Spätimpressionismus. Geboren in Landau, aufgewachsen im Elsass, war sein Lebensweg geprägt von den politisch-historischen Verwerfungen der Großregion: Im Ersten Weltkrieg diente er in der deutschen, im Zweiten in der französischen Armee. Mit seiner Lebensgefährtin, der Landauer Malerin Marie Strieffler, unternahm Steinmetz während der 1970er Jahre mehrfach Malreisen an die Küste der Normandie: Diese Arbeiten des Spätwerks wie die Stadtansicht mit Hafen sind nun breiter und flächiger vorgetragen, in der Auffassung direkter und expressiver. Rolf Müller, der in China geborene Sohn eines Missionars, fügte erst 1930 - mit der dortigen Aufnahme seiner freischaffenden Tätigkeit - das „Landau“ seinem Namen hinzu. Zuvor hatte der junge Rolf ab 1922 an der Karlsruher Akademie studiert. Seine Kunst ist eine gelungene Synthese expressiver und neusachlicher Tendenzen, besonders eindrucksvoll formuliert in dem großformatigen Gemälde der Kathedrale von Metz. Kunstpolitisch bedeutsam war in der Folge Müller-Landaus Wirken als erster Vorsitzender der 1946 gegründeten Pfälzischen Sezession, die in der Region für einen künstlerischen Neubeginn nach der nationalsozialistischen Unterdrückung stand.

Mit dem Heidelberger Adolf Hacker sowie den Mannheimer Malern Walter Eimer und Rudi Baerwind ist in Hierzulande auch die kurpfälzische Komponente der Kunstlandschaft links und rechts des Rheins vertreten. Rudi Baerwinds stark abstrahierte Darstellung Im Büro stellt kritisch den der Naturnähe beraubten modernen Menschen vor und appelliert an seine emotionale Sensibilität, sich auf die natürlichen Schöpfung einzulassen und sich in ihr zu erkennen.

Dr. Heinz Höfchen


Ausgestellte Künstler:
Baerwind, Rudi (Rudolf) (1910 Mannheim - 1982 ebenda)
Bergmann, Max (1884 Fürstenberg - 1955 Haimhausen)
Bohn, Josef (1904 Wattenheim - 1971 ebenda)
Croissant, August (1870 Edenkoben - 1941 Landau)
Dill, Otto (1884 Neustadt d.W./ - 1957 Bad Dürkheim)
Eimer, Walter (1899 Ladenburg - 1983 Heidelberg)
Ernst, Gustav (1858 Elsterberg - 1945 Bad Dürkheim)
Fay, Hanns (1888 Frankenthal - 1957 Weinheim a.Bergstr.)
Geißler, Senta (1902 Heidelberg - 2000 Ludwigshafen)
Graf, Karl ( 1902 in Rothenburg o. d. Tauber - 1986 Speyer)
Hacker, Adolf (1873 Schwarzenbach/S. - 1943 Heidelberg)
Haueisen, Albert (1872 Stuttgart - 1954 Kandel/Pfalz)
Heieck, Peter (1898 Ludwigshafen - 1986 Bad Dürkheim)
Herzog, Heinrich (1891 Kaiserlautern - 1971 ebenda)
Jossè, Friedrich (1897 Wolfstein/Pfalz - 1994 Speyer)
Lauth, Robert (1896 Ludwigshafen - 1985 ebenda)
Leistner, Max
Müller-Landau, Rolf (1903 Kia Ying Chow (China) - 1956 Bad Bergzabern)
Schreieck, Ludwig (1911 St. Martin/Pfalz - 1944 München)
Schug, Erich (1906 Ludwigshafen - 1982 Bad Dürkheim)
Spitzer, Karl Philipp (1887 Speyer - 1959 ebenda)
Steinmetz, Philippe (1900 Landau - 1987 ebenda)

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